Hybride für Bau- und Landwirtschaft
Bau-, Land- und Forstmaschinen sind Diesel- und Hydraulikdomänen. Noch. Denn ihre Hybridisierung drängt sich förmlich auf. Werden die häufigen Lastspitzen elektromotorisch abgefedert, sinken Verbrauch, Abgas- und Lärmemissionen sowie Wartungskosten deutlich.
Ganz gleich ob Bagger oder Radlader, ob Traktor, Mähdrescher oder Feldhäcksler, ob fahrbare Forst- oder Hafenmaschine - mobile Maschinen tanken Diesel. So regelmäßig ihre Motoren unter Spitzenlast aufheulen, um Kraft zum Schaufeln, Schieben, Heben oder Kippen tonnenschwerer Lasten bereitzustellen, so regelmäßig verpufft Energie beim Bremsen oder Ablassen dieser Lasten.
Für dieses Stakkato aus Volllast und Leerlauf sind Dieselmotoren ungeeignet. Und so erzeugen sie unnötig viel Lärm, arbeiten bei hohem Verschleiß mit miserablen Wirkungsgraden und emittieren obendrein mehr Luftschadstoffe, als Gesetzgeber hinzunehmen bereit sind. EU und US-Regierung haben die Grenzwerte für Rußpartikel, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe im Offroad-Bereich im letzten Jahrzehnt drastisch gesenkt. Waren vor 2001 jeweils einige Gramm der Luftschadstoffe pro Kilowattstunde erlaubt, sinken die Werte bis 2014 auf Zehntel und Hundertstel Gramm.
Effizientere Antriebslösungen müssen her. Angesichts der üblichen Lastprofile auf Bau und Acker drängen sich Hybridantriebe förmlich auf. „Wenn Elektromotoren die Lastspitzen übernehmen, sind abhängig vom Einsatzprofil Verbrauchssenkungen zwischen 10 und 30 Prozent realistisch“, erklärt Dr. Kimmo Rauma, Technikvorstand (CTO) der finnischen VISEDO OY. Sein junges Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Elektrifizierung abseits der Straßen voranzutreiben und bietet Kunden eigens dafür entwickelte, extrem robuste elektrische Antriebsstränge.
Hybridisierung spart 20.000 Liter Diesel pro Jahr
Größere Radlader haben heute Dieselmotoren mit gut und gerne 300 kW (~ 400 PS) Leistung, die Räder und Hydraulik antreiben. Durch diese Doppelfunktion laufen sie nur selten im optimalen Kennfeld - zumal Radlader viel rangieren und kaum längere Strecken fahren. Dafür sind Selbstzünder eigentlich zu träge. Anders Elektromotoren. Sie liefern aus dem Stand binnen Millisekunden volles Drehmoment, fahren Lastwechsel effizienter und erlauben die Traktion so zu dosieren, dass die Räder auf matschigen Böden nicht durchdrehen. Und das fast geräuschlos, was Fahrer, Arbeiter und Anwohner gleichermaßen entlastet.
Statt einer großen Dieselmaschine bildet in einem Hybrid-Radlader ein kleinerer 120kW-Dieselmotor das Kraftzentrum. Er treibt bei nahezu konstanter Drehzahl einen Generator an, dessen Strom vier radnahe Elektromotoren in Antrieb umsetzen. Umgekehrt wandeln sie Bremsenergie in Strom. Eine solche serielle Hybridkonfiguration hat in schwerem Gelände den Vorteil, dass jedes Rad einzeln angesteuert werden kann. Zudem bleiben die Kosten überschaubar. Denn anderes als bei Pkw muss jeweils nur der Strom für die nächste Lastspitze gepuffert werden. Statt teurer Lithium-Ionen-Batterien übernehmen das günstigere, pflegeleichte Hochleistungskondensatoren (Supercaps). Und weil die wartungsfreien Elektromotoren dem Dieselmotor die dynamischen Lasten abnehmen, sinken obendrein die Wartungskosten – und Emissionen. Denn bei Optimal-Drehzahl bilden sich im Dieselmotor deutlich weniger Luftschadstoffe.
Vor allem aber sinkt der Verbrauch. In Kundenprojekten hat Visedo mit vergleichbaren Konfigurationen 25 Prozent Verbrauchsminderung erreicht. „Baumaschinen, Hafenkräne oder Landmaschinen verbrauchen oft um 20 Liter pro Stunde. Bei 4.000 Betriebsstunden summiert sich die Einsparung auf 20.000 Liter Diesel und die CO2-Reduktion auf knapp 53 Tonnen jährlich“, resümiert Rauma. Die Hybridisierung amortisiere sich so binnen zwei bis vier Jahren.
Schmutz, Wasser und heftige Leistungspeaks erfordern robuste Technik
Damit der Kostenvorteil über den gesamten Lebenszyklus zum Tragen kommt, setzen Offroad-Hybride äußerst robuste Technik voraus. Die Leistungspeaks und Umweltbedingungen sind ungleich härter, als im Automobilbereich. Auch Erfahrungen mit stationären elektrischen Antrieben lassen sich sehr bedingt auf Hybridbagger, Feldhäcksler oder Hafenkräne übertragen.
System und Einzelkomponenten müssen gegen Matsch, Spritzwasser, Schläge und Vibrationen immunisiert werden – und brauchen wegen der heftigen Leistungsausschläge angemessene Kühlung. „Unsere Inverter und Elektromotoren – wahlweise permanent erregten Synchronmaschinen oder Axialflussmaschinen - sind wasser- oder wasser-glycol-gekühlt, wobei die Kühlkreisläufe aus Edelstahl gefertigt sind“, berichtet Rauma. Um auf Nummer sicher zu gehen, unterziehe man die Komponenten Vibrationstests mit 10-facher Erdbeschleunigung (10 G) und Stoßtest mit 50 G. „Nur so lässt sich ein reibungsloser Offroad-Betrieb über 20 Jahre und mehr gewährleisten“, ist der Experte überzeugt.
Anfällig sind vor allem die Inverter, also die elektronischen „Gehirne“ der Systeme. Um sie für den harten Einsatz in Feld und Flur zu trimmen, sind bewegliche Teile im Innern Tabu. Dank Hochleistungshalbleitern des Nürnberger Spezialisten Semikron, miniaturisierter Silber-gesinterte Leistungselektroniken und effizienter Kühlung halten sie beim Volumen zweier Laptops Strömen von 250 kW und Temperaturen zwischen -40°C und 105°C stand.
Parallel oder seriell? - Beides und noch mehr...
Momentan ist der unverwüstlichen Hybbrid-Baukasten Made in Finland bei Hafenlogistikern, Land-, Forst- und Baumaschinenherstellern, sowie in Stadtbussen und Schiffen im Einsatz. Gerade in der Landtechnik gelten elektrische Antriebe als Zukunftslösung, weil sie sich gegenüber hydraulischen Systemen deutlich präziser ansteuern lassen. Das erlaubt sehr viel gezielteres Ausbringen von teurem Saatgut, Dünger oder Pflanzenschutzmitteln – und schont Umwelt und Budgets der Landwirte gleichermaßen. Auch in Traktoren und Erntemaschinen sind Hybridantriebe auf dem Vormarsch – oft in Verbindung mit automatisierten GPS-Lenksystemen.
Wann kostengünstigere Parallel-Hybride sinnvoll sind, in denen der Dieselmotor durch eine einzige motorisch wie generatorisch arbeitende E-Maschine ergänzt wird, und wann sich effizientere aber zunächst teurere serielle Hybridkonfigurationen lohnen, hängt vom Einsatzprofil der jeweiligen Maschine ab. Auch Mischungen sind laut Rauma denkbar. „Bei Baggern kann es sinnvoll sein, Lastspitzen der Traktion und Hydraulik mit einer Parallel-Hybridkonfiguration abzufedern, für das Schwenken des Aufbaus aber einen weiteren, autarken Elektroantrieb einzusetzen“, erklärt er. Selbst Hybridisierung stationärer Holzhäcksler, Schredder oder Steinbrecher sei keineswegs abwegig. Auch hier könnten Elektromotoren Leistungspeaks abfedern und deutlich leistungsschwächere Dieselaggregate ergänzen. „Die Leistung des Diesels ist meist für Spitzenlasten ausgelegt und wird in der Regel nur zu einem Viertel benötigt“, sagt er. Folge: Ständiger ineffizienter Teilastbetrieb. „Im Offroad-Sektor schlummert gewaltiges Effizienzpotenzial“, ist der Experte überzeugt.
((Autoren))
Tomi Ristimäki, Manager Sales & Marketing, leitet die deutsche Niederlassung der VISEDO OY in Leinfelden-Echterdingen
Bildunterschrift 1: Radlader unter Strom (Mit Bild wheel-loader.jpg)
Der auf 120 kW downgesizte Dieselmotor (1) treibt einen PowerDRUMGenerator (2) mit 125 kW Dauerleistung an. VISEDO bietet die permanenterregten, wasser-glycol-gekühlte Synchronmaschine mit unterstützendem Reluktanz-Drehmoment (SRPM) im Leistungsbereich bis 500 kW an. Alternativ kann die noch kompaktere PowerDISK der Finnen eingesetzt werden – eine permanent erregte Axialfluss-Maschine, die bis 150 kW verfügbar ist. Der erzeugte Wechselstrom wird im AC/DC- Inverter PowerMASTER mit 300 A in Gleichstrom gewandelt – und von hier in den Stromspeicher (4) aus SuperCapacitors (PowerCAPs) mit einem MJ Kapazität geleitet. Von dort fließt er an vier PowerMASTER Traktionsinverter (5) à 200 A, welche die Traktionskontrolle übernehmen und die vier PowerDRUM-Traktionsmotoren (6) à 75 kW versorgen. Diese arbeiten motorisch wie auch generatorisch, um den Radlader zu bremsen. Der dabei erzeugte Gleichstrom fließt über die Inverter (5) an die SuperCap-Bank (4) zurück und wird dort für die nächste Spitzenlastanforderung - etwa beim Anfahren oder hydraulischen Anheben der Schaufel - gepuffert. In dieser seriellen Konfiguration sind bei 4.000 Betriebsstunden jährlich rund 20.000 Liter Kraftstoffersparnis realistisch.
© VISEDO OY
Bildunterschrift 2: kimmorauma.jpg
Dr. Kimmo Rauma, CTO der Visedo OY begutachtet die Elektromotorenfertigung seines Unternehmen im finnischen Lappeenranta. Noch wird hier viel von Hand montiert. Doch im Motorendesign ist eine Umstellung auf automatisierte bereits angelegt.
© VISEDO OY
Bildunterschrift 3: comparison-of-motors.jpg
Elektromotoren im Vergleich
Permanent erregten Synchronmaschinen mit unterstützendem Reluktanz-Drehmoment (SRPM), die VISEDO als PowerDRUM vermarktet, sind für Offroad-Einsätze optimiert. Auf niedrigem Drehzahlniveau (400 bis 3.000 U/min) stellen über einen breiten Bereich hohes Drehmoment bereit - bei 96 % Wirkungsgrad. Im Vergleich dazu entfalten herkömmliche permanent erregte Maschinen (PM) ein Fünftel weniger Moment und fallen bei steigender Drehzahl schneller ab. Auch sie erreichen Wirkungsgrade um 96 % - und glänzen gerade bei niedrigeren Drehzahlen mit einem Fünftel mehr Drehmoment, als vergleichbare fremd erregte Asynchron-Motoren (IM).
© VISEDO OYBildunterschrift 4: visedo-power-series.jpg
Robuste Skandinavier
Das Power-Paket von VISEDO ist speziell für Offroad-Einsätze in Forst-, Bau- und Landwirtschaft sowie in der Hafenlogistik entwickelt. Motoren und Inverter sind nach IP 65/67 gekapselt, stecken Vibration bis 10 G und Stöße bis 50 G weg und sie sind dank Wasser-Glycol-Kühlung im Temperaturbereich zwischen -40°C und 65°C einsetzbar.
© VISEDO OY
Bildunterschrift 5: leistung-diagramm.jpg
Hybridantrieb glättet Stakkato aus Peak und Leerlauf-Leistung
Im Diagramm ist deutlich zu sehen, wie stark die Spreizung zwischen Arbeitsleistung und Leistung des Verbrennungsmotors ist. Statt den trägen Dieselmotor ständigen Peaks und den damit verbundenen dynamischen Lasten auszusetzen, federn im Hybridantrieb sehr viel dynamischere Elektromotoren die Leistungsspitzen ab.
© VISEDO OY
VISEDO OY wurde im Jahr 2009 im finnischen Lappeenranta gegründet, um robuste, hoch effiziente und emissionsarme Antriebstechnik für Hybrid- und Elektrofahrzeuge im Bau- und Agrarmaschinenbereich, in der Schifffahrt, Intralogistik und im Busverkehr zu entwickeln. Das Unternehmen produziert mittlerweile Antriebe im Leistungsbereich von 30 kW bis 1.600 kW, darunter Kernkomponenten wie die PowerDISK™ Serie (permanent erregte Axialflussmaschinen), PowerDRUM™ (permanet erregte Motoren mit unterstützendem Reluktanzdrehmoment), PowerMASTER™ (Hochleistungs-Inverter), PowerBOOST™ (DC/DC-Wandler) und als Energiespeicher die PowerCAP™ Serie (Super-Caps). VISEDO kooperiert unter anderem eng mit der Lappeeranta University of Technology und dem Nürnberger Spezialisten für Leistungselektronik Semikron. Neben dem finnischen Headquarter inklusive Fertigung betriebt das junge Unternehmen einen deutschen Vertriebsstandort in Stuttgart.
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